As we speak – Zukünftige Sprachen
So, wie wir sprechen, verstehen wir die Welt. Ist das Sprechen eingeschränkt, erfährt auch das Denken Grenzen. Das Denkbare auszumessen und durch forcierten Sprachgebrauch dessen Grenzen zu erweitern, ist ein wichtiges Element künstlerischer Praxis. “As we speak”, ein Projekt des Goethe-Instituts im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt “Maribor 2012″, verfolgte mit einem mehrmonatigen Programm von Juni bis September 2012 dieses Anliegen. Ein Fazit. “Das Reden ist die Vermittlung für die Gemeinschaftlichkeit des Denkens”, sagte schon Friedrich Daniel Schleiermacher in seinen Berliner Vorlesungen vor knapp 200 Jahren. Vor allen modernen Sprachforschern im Gefolge Ferdinand Saussures legte Schleiermacher Wert auf den Doppelcharakter von Sprache als einerseits einem Sprachsystem, in dem sich alle Sprecher bewegen und dessen Regeln sie im Interesse einer erfolgreichen Kommunikation auch beachten müssen, und anderseits dem Sprachgebrauch, dem erst durch den Sprechakt zum Leben erweckten Set aus Regeln. Das Sprachsystem wiederum, obwohl in der ersten Perspektive als Bedingung des Sprechenkönnens überhaupt angesehen, wird durch den Gebrauch – und erst recht den wiederholten Gebrauch – seinerseits modifiziert und verwandelt. Schleiermacher hielt eine strukturalistische Betrachtung der Sprache mit der Dynamik der Änderungen durch ihren Gebrauch in einem interessanten Spannungsverhältnis. In diesem doppelten Parcours operierte auch “As we speak”. Einleitende Überlegung war der Hinweis auf die bedauerliche Reduktion der Sprachvielfalt. Weltweit prognostiziert die UNESCO ein Absterben von mindestens der Hälfte aller derzeit auf dem Erdball noch gesprochenen 6.000 Sprachen im 21. Jahrhundert. Damit verbunden ist eine Konzentration auf die am häufigsten gesprochenen Sprachen. Schon jetzt ist die Muttersprache von 80% der Menschheit eine von nur 50 Sprachen. Vor Ort in Slowenien korrespondiert diese allgemeine Beobachtung u. a. mit einem Rückgang der Nutzung des Kroatischen im Wissenschaftsbetrieb. Generell dürften, wenn nicht gegengesteuert wird, kleinere Nachbarsprachen zugunsten der globalen Großsprachen – Englisch, Chinesisch, Spanisch, Französisch – ins Hintertreffen geraten. Das hat sowohl regionale wie letztlich auch globale Auswirkungen. In Hinsicht auf Diversität als Überlebensstrategie wäre eine solche Entwicklung zu bedauern. “As We Speak” agierte allerdings auch in einem Feld, das durch gegenläufige Tendenzen wie Nationalismus und “nationalistische Maskerade” (s. den Text von Rastko Močnik) gekennzeichnet ist. Der Definitionsmacht und ideologischen Aufladung der Sprache entgehen wollend orientierte sich “As we speak” vor allem auf Klanglandschaften. Hier wurden historische Schichten untersucht, wie etwa bei Stefan Rummels Klanginstallation “Within the Range of Transition” im Stadtraum Maribors, bei der Field Recordings der einstigen nahegelegenen Industriereviere verwendet wurden. “MariborMaps”, eine Klangkarte von Udo Noll, hingegen maß die Klänge der Stadt aus und transferierte sie in den digitalen Raum. Das International Turntable Orchestra of the Youth wiederum erzeugte mit zum Teil selbstgefertigten Schallplatten Resonanzen und Überlagerungen und beteiligte sich so am Aufbau einer neuen Sprache. Deren Grad der Beherrschung durch die einzelnen “Sprachteilnehmer” war durchaus unterschiedlich – was einen Hinweis den fließenden, mitunter heiklen, in seiner Dynamik aber auch oft inspirierenden Charakter von Sinn- und Bedeutungstransporten darstellte. Dass Sprechen gewöhnlich Sprechen in verschiedenen Zungen bedeutet und damit Übersetzung erfordert, stand im Mittelpunkt des Workshops “Europe of the Regions or Province Europe”. Als illusionär wurde hier der Versuch der europäischen Bürokratie bewertet, alle EU-Sprachen als gleichrangig und gleichwertig zu betrachten, Originale nur in der multiplen Form der parallelen Übersetzung anzuerkennen und Übersetzung als eine mechanische und den jeweiligen Sprach- und Kulturkontext negierende Übertragung anzusehen (s. Text von Boris Buden). Roman Bezjaks fotografische Archäologie der sozialistischen Moderne in der Architektur darf wiederum als Beleg für die Ländergrenzen überschreitende Durchmischung, Resonanz und Echowirkung bestimmter Formen und Muster aufgefasst werden. Dass Sprechen gewöhnlich Sprechen in verschiedenen Zungen bedeutet und damit Übersetzung erfordert, stand im Mittelpunkt des Workshops “Europe of the Regions or Province Europe”. Als illusionär wurde hier der Versuch der europäischen Bürokratie bewertet, alle EU-Sprachen als gleichrangig und gleichwertig zu betrachten, Originale nur in der multiplen Form der parallelen Übersetzung anzuerkennen und Übersetzung als eine mechanische und den jeweiligen Sprach- und Kulturkontext negierende Übertragung anzusehen (s. Text von Boris Buden). Roman Bezjaks fotografische Archäologie der sozialistischen Moderne in der Architektur darf wiederum als Beleg für die Ländergrenzen überschreitende Durchmischung, Resonanz und Echowirkung bestimmter Formen und Muster aufgefasst werden. “As we speak” machte darauf aufmerksam, dass Sprache und Sprechen – erstanden als eine Menge von Systemen akustischer und/oder visueller Zeichen sowie deren Gebrauch – stets auch versteckte Bedeutungsinhalte mittransportieren, Kontexte erst schaffen und in je unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Assoziationen auslösen. Tom Mustroph
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